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Das Wahrscheinlichkeitslernen

Ein sehr elementarer Mechanismus des Lernens ist es, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Signals abzuschätzen. Von Cube bezeichnet dies als Wahrscheinlichkeitslernen.siehe

Dies ist ein sehr wichtiger Schritt, denn er ermöglicht es, einzelne Signale in einen Kontext einzuordnen, und dies führt dazu, daß die aufzunehmende Information verringert wird. ``Durch das Erlernen von Wahrscheinlichkeiten bauen wir also unnötige Information ab; wir erkennen Ordnungen und gewinnen Sicherheit.''siehe Ich möchte ein paar Beispiele für das geben, was beim Wahrscheinlichkeitslernen geschieht.

Wir haben gelernt, daß in der deutschen Sprache der Buchstabe ``Q'' stets vom Buchstaben ``U'' gefolgt wird. Wenn wir ein deutsches Wort Buchstabe für Buchstabe erraten sollen - wie zum Beispiel beim ``Hangmann-Spiel'' - so wissen wir, daß das Erraten eines Q's uns sofort auch den nächsten Buchstaben verrät. Wir erwarten ebenso nach einem ``C'' eher ein ``H'' oder ein ``K'' als ein ``T''. Wir haben durch den Umgang mit Texten gelernt, die Wahrscheinlichkeit von Zeichen und Zeichenfolgen einzuschätzen.

Wenn wir im Straßenverkehr das Geräusch eines Martinshorn hören, erwarten wir einen Polizei-, Feuerwehr- oder Krankenwagen. Wir verändern daraufhin unser Fahrverhalten. Wir haben gelernt, das Auftreten eines Signals mit dem Auftreten eines anderen Signals in Verbindung zu setzen.

Das Beobachten von bestimmten Wolkenformationen läßt uns vermuten, daß es bald ein Gewitter geben wird. Wir haben aus Erfahrung gelernt, bestimmte Muster am Himmel - bestimmte Signale - mit anderen Signalen (z.B. Blitz und Donner) in Verbindung zu setzen. Wir haben also ein Gefühl dafür entwickelt, wie wahrscheinlich das Auftreten eines Signals in einem Kontext von Signalen ist.

Diese Beispiele zeigen, daß ein Teil des Kennenlernens unserer Umwelt ein Lernen über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Signalen ist. Durch das in Bezug Setzen eines Signals und des Kontexts entsteht eine Ordnung, ein Zusammenhang. Durch die erlernten Auftrittswahrscheinlichkeiten von Signalen und Signalfolgen wird die aufzunehmende Informationsmenge verringert.

Am deutlichsten wird dies am Beispiel der Kombination von Buchstaben in einem Text. Ich muß, um die Aussage eines Textes zu verstehen, nicht die Information aller Zeichen aufnehmen, wenn ich die Sprache gut kenne. Dies wird klar, wenn man einen Text mit fehlenden Buchstaben ließt. Wenn die Zahl der fehlenden Zeichen gering ist, kann ich sie erraten, weil ich weiß, wie wahrscheinlich bestimmte Buchstabenkombinationen sind. Ein Beispiel:

Für den folgenden englischen Satz mit Lücken gibt es nur eine Möglichkeit die Lücken auszufüllensiehe:

TH_R_ _S _NLY _N_ W_Y T_ F_LL _N TH_ V_W_LS _N TH_S S_NT_NC_.

Wenn wir eine gewisse Erfahrung mit englischen Texten haben, wird es uns schnell gelingen die Lücken aufzufüllen. Wir haben ein Gefühl für die Wahrscheinlichkeit, mit der Zeichenkombinationen auftreten.

Das Wahrscheinlichkeitslernen ist ein Prinzip, mit dem wir Ordnung in die immense Flut von Signalen bringen, die täglich auf uns einstürmt. Durch das Erlernen der Wahrscheinlichkeiten, mit denen Kombinationen von Signalen auftauchen, erzeugen wir eine überschaubare Struktur. Durch das Wahrscheinlichkeitslernen wird ein Signal in Zusammenhang zu einem Kontext von anderen Signalen gesetzt.

Wenn Signale oder Signalfolgen auftauchen, die den zuvor erlernten Wahrscheinlichkeiten widersprechen, so sind wir erstaunt. Gewohntes ist durchbrochen, das scheinbar Bekannte wird in Frage gestellt.


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Son Nov 12 13:51:05 CET 2000